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Siebenter Abschnitt.
Hunderts unwürdig, und einige derselben den tapsen
sten Völkern der Verwelk gleich; mehr als eine ein-
zeln fähig, durchs Schwerst einem Welttheil Ge-
setze zu geben.
Z. Der Ueberfatl bei Hochkirch^
/ Von Demselben.
Es mx am ,Zten Oktober 1753 in der Nackt,
als alle Colonnen der Oesierreichifchen Armee ihr
Zager verließen, um die Preußen zu überfallen. Der
General Odonel führte die Avantgarde, die aus vier
Bataillons und sechs und dreißig Schwadrons be-
stand; ihm folgte der General Sinere mit sechszehn
Bataillons, und der General Forgatsch mit achtzehn
Bataillons. Das Corps des General Laudon, das
dem Preußischen Lager fast im Rücken stand, wurde
noch mit vier Bataillons und fünfzehn Schwadrons
verstärkt, wozu hernack noch die ganze Oesterreichi-
sche Kavallerie des linken Flügels stieß. Die In-
fanterie dieses Flügels führte der Feldmarschall
Daun selbst an. Alle diese Truppen und noch ei-
nige kleine Corps waren bestimmt, die Preußen auf
dem rechten Flügel ln der Fronte und im Rücken
anzufallen; dagegen sollte der Herzog von Arembsrg
mit drei und zwanzig Vataillo en und zwei und
dreißig Schwadronen den Preußischen linken Flü-
gel beobachten, und erst, wenn die Niederlage der
Feinde an allen andern Orten vollendet wäre, den-
selben angreifen. Es befanden sich bei dem Vortrab
freiwillige Grenadiers, die hinter den Cürassieren
aufsaßen, vor dem Preußischen Lager aber von den
Pferden sprangen, sich in Haufen formirten, und
so vorwärts drangen. Die Zelter blieben im Oe-
sterreichrschen Lager stehen, und die gewöhnlichen
Wachtfeuer wurden sorgfältig unterhalten. Eins
Menge Arbeiter mußten die gw# Nacht durch Paus
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155
Brie fe. .
ich etwas melden. Am ,4ten Juli mit Anbruche des
Tages fing die Kanonade und das Einwerfen der
Haubitzgranaten auf die schrecklichste Art an. Früh
nm acht Uhr kam eine solche Granate, in mein Zim-
zner, (sie mochte mehr als dreißig Pfund wiegen)
zerschmetterte die Stube meines Bedienten, und
zündete. Wir löschten den Brand, und machten alle
mögliche Anstalten. Weil es aber Granaten und
zwölfpfündige Kugeln auf mein Haus und die be-
nachbarte Gegend regnete, welches die Absicht ha-
den mochte, das zwanzig Schritte von meiner Woh-
nung befindliche Pulvermagazin in die Luft zu spren-
gen; so packte ich meine Sachen, so viel es ohne
Gefahr, erschossen zu werden, anging, zusammen,
schaffte sie theils in den Keller, theils in ein Ge-
wölbe, und flüchtete Abends um acht Uhr nach der
Neustadt zu D.. . Aber auch hier fing am igten
die Angst an, und in kurzer Zeit fuhren einige zwölf-
pfündige Kugeln, ins Haus, nahe bei mir vorbei.
In dieser Lebensgefahr brachten wir bis Sonn-
abends zu , wo die Daunische Armee die Seite von
der Neustadt befreite, welches die größte Gnade
war, die uns Gott in der Beängstigung erzeigen
konnte. Denn eben diesen Tag , besonders um zwölf
Uhr Mittags, ging das unglücklich? Bombardement
der Residenz an. Mehr als hundert Bomben fielen
in einer Zeit von drei Stunden auf die Kreuzgasse
und Kirche; um zwei Uhr brannte mein Haus, und
um vier Uhr wußte ich mein Schicksal. Die Bom-
den hatten das Gewölbe, wohin wir alle unsre
Sachen geschafft hatten, zerschmettert, und alles
verbrannt; der Keller aber war von den Soldaten,
die löschen sollten, rein ausgeplündert worden.
Mein Bedienter, der treuste Mensch von der Welt,
hatte sich so lange im Hanse aufgehalten, bis es
anfing einzustürzen, und hatte ein Dutzend solcher
Schurken hinaugeprügelt; endlich aber ward er
übermannt, und flüchtete zu mir nach Neustadt.
Vor Vergnügen, den ehrlichen Kerl, den ich schon
für erschossen oder verbrannt hielt, wieder zu sehen,
fühlte ich den Schmerz nur halb, den mir die Nach-
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26g
Historische Darstellung
rue zu einem Verhau fallen/ wobei sie sangen, und
einander zuriefen. Durch dies Getöse wollten sie
die Preußischen Vorposten hindern, den Marsch der
Truppen wahrzunehmen. Die wachsamen Preußi-
schen Husaren aber entdeckten doch die Bewegung
des Feindes, und gaben dem Könige sogleich Nach-
richt davon. Anfangs bezweifelte er die Bewegung
selbst; da aber die wiederholten Berichte solche be-
stätigten, so vermuthete er jede andre Ursache der-
selben , nur keinen förmlichen Angriff. Seidlitz und
Ziethen befanden sich eben beim Könige, und er-
schöpften ihre Beredsamkeit, seine Zweifel in diesen
bedenklichen Augenblicken zu bekämpfen; sie brach-
ten es auch dahin, daß Befehle an einige Brigaden
geschickt wurden, aufzustehn, wobei mehrere Regi-
menter Kavallerie ihre Pferde satteln mußten. Die-
ser Befehl aber wurde gegen Morgen wieder auf-
gehoben, und der jetzt ganz unbesorgte Soldat über-
ließ sich dem Schlaf ohne alles Bedenken. — Der
Lag war noch nicht angebrochen, und es schlug im
Dorfe Hochktrch fünf Uhr, als der Feind vor dem
Lager erschien. Cs kamen ganze Haufen auser-
wahlter Soldaten bei den Preußischen Vorposten
an, und meldeten sich als Ueberläufer. Ihre An-
zahl wuchs so schnell und so stark, daß sie bald Vor-
posten und Feldwachen überwältigen konnten. Die
Oesterrcrchische Armee, in verschiedene Corps ge-
theilt, folgte der Avantgarde ans dein Fuß nach,
und nun rückten sie Colonnenweise von allen Seiten
ins Preußische Lager ein. Viele Regimenter der
königlichen Armee wurden erst durch ihre eignen
Kanonenkugeln vom Schlaf aufgeschreckt; denn die
anruckenden Feinde, die größtenteils ihr Geschütz
.zurückgelassen hatten, fanden ans den schnell erober-
ten Feldwachen und Batterien Kanonen und Mu-
nition, und mit diesen, feuerten sie ins Lager der
Preußen. Nie befand sich ein Heer braver Trup-
pen in einer schrecklicheren Lage , als die unter dem
Schutze Friedrichs sorglos schlaftnden Preußen, die
nun auf einmal im Innersten ihres Lagers von ei-
nem mächtigen Feinde angegriffen^ und durch Feuer
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426
Arm; bestürzt flohen ste aus Frankreich. Aber die Verbündeten rückten rasch
heran. Bet Waterloo in Belgien kam es zur Hauptschlacht, am 18. Juni
1815. Wellington und der tapfere B lüch er erfochten hier den voll-
ständigsten Sieg; das französische Heer ward vernichtet. Napoleon floh nach
Paris und dankte hier zu Gunsten seines Sohnes zum zweitenmal ab; er
selbst begab sich an Bord eines englischen Kriegsschiffs, um sich nach Amerika
überschiffen zu laffen. Aber nicht sein Sohn, sondern die Bourbonen wur-
den wieder auf den Thron gesetzt; und er selbst wurde in das ferne at-
lantische Weltmeer, auf das Felseneiland Sa nct Helena, verbannt.
Man hat von Napoleon noch Schularbeiten aus seiner Knabenzcit auf-
gefunden. Ein Auszug, den er aus einem Geographiebuch gemacht hatte,
schließt mit den Worten: „Sanct Helena, kleine Insel." Und siehe, auf
dieser „kleinen Insel" sollte der „große Napoleon" das Buch seines thaten-
reichen Lebens beschließen. Sechs Jahre verlebte er hier, getrennt von seiner
Familie, nur von wenigen Treuen begleitet, in dem traurigen Bestreben, die
Größe und Reinheit seiner Gesinnungen und Thaten zu beweisen, eine ausge-
brauchte Ruthe, damit der Herr aller Herren die Völker gezüchtigt hat.
197. Wie ein österreichischer Däner den Franzosen ^»en Weg
nicht zeigt.
Ein Bauer sollte beim ersten Astdringen der Franzosen auf Wien (1809) der
Führer einer Truppenabtheilung werhsu, mit der man einen wichtigen Plan durch
einen Nachtmarsch auszuführen gehachte; der Bauer aber weigerte sich. Heftig
drang der den Vortrab dieses Aiiges befehligende französische Offizier in ihn; der
Bauer blieb ruhig bet seiner Weigerung. Der Offizier fing nun an, ihn mit Ver-
sprechungen zu bestürme^/und lwt Ihm endlich seine reich gefüllte Börse mit Gold
an; aber Alles vergehend. Azoischen langte der Zug selbst an, und der diesen
führende General wa/ sehr/Mtaunt und erzürnt, den Vortrab noch anzutreffen.
Der Offizier erzählte, dm" der einzige des Weges kundige Mann sich weigere, ihr
Wegweiser zu "sein, obmich er Alles aufgeboten habe, ihn dazu zu bewegen. Der
Bauer ward Hieraus-vorgeführt. „Entweder", rief der General ihm-zu, „du zeigst
uns den rechten Weg, oder ich lasse dich tvdtschießen". — „Ganz gut", erwiederte
der Bauer, „so sterbe ich als rechtschaffener Unterthan, und brauche nicht Landes-
verräther zu werden". — Der General bot ihm erstaunt die Hand und sprach:
„Geh heim, wackerer Mann; wir wollen uns schon ohne Führer behelfen."
198. Unglück der Stadt Leiden.
Diese Stadt heisst schon seit undenklichen Zeiten Leiden
und hat noch nie gewusst, warum, bis am 12. Jänner des
Jahrs 1807. Sie liegt am Rhein in dein Königreich Holland,
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Helena
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Belgien Wellington Paris Amerika Helena Wien Rhein Holland
443
Napoleon hatte am 17. früh das Schlachtfeld von Ligny berit-
ten und wandte sich dann mit seiner Hauptstärke links, um nun auch
die Engländer heftig anzugreifen.
Es hatte die Nacht geregnet, und regnete immer fort; der Bo-
den war völlig durchweicht, die schwarze Erde löste sich in zähe Flüs-
sigkeit auf, und mit unsäglichen Beschwerden kam das Heer auf der
schlammigen Straße und in den alsbald unter den Hufen der Pferde
grundlos gewordenen Getreidefeldern nur langsam fort. Erst am
Abend gelangte der französische Vortrab an die englische Stellung
von Mont St. Jean, die sogleich, aber vergeblich angegriffen wurde.
Die Nacht brach herein und machte dem Gefecht ein Ende. Furcht-
bare Regengüsse strömten diese Nacht vom Himmel; die Truppen lit-
ten unbeschreiblich, die Tritte versanken in Koth, Geschütz und Wagen
schienen kaum fortzubringen. Am folgenden Morgen, den 18. Juni,
waren die Franzosen sehr überrascht, den Feind, welchen sie unter
Begünstigung der Nacht über Brüffel hinaus abgezogen glaubten,
unverrückt in derselben Stellung wie am vorigen Abend vor sich zu
finden.
Jedes der zwei Heere, die hier einander gegenüber standen, be-
stand aus 70,000 Mann. Napoleon ordnete sein Heer auf der An-
höhe von Bellealliance zum Angriff. Aber nur mühselig und lang-
sam trafen auf durchweichtem Wege und Feld die Truppen ein; ein-
zelne Regenschauer fielen noch von Zeit zu Zeit, der Boden er-
schwerte jeden Fortschritt. Erst um Mittag konnte Napoleon den Be-
fehl geben, vorzurücken. Das Feuer aus dem Geschütz, aus dem
Kleingewehr, die Angriffe mit blanker Waffe wechselten mit immer
neuer Wuth; die Reiterei wogte in stürmischen Angriffen hin und
wieder, und zerstörte sich gegenseitig in furchtbarem Gemetzel, ohne
irgend einen wesentlichen Erfolg. Dieser Kampf dauerte mehrere
Stunden; die Franzosen fochten mit andringender Wuth, die Eng-
länder und ihre Verbündeten mit ausdauernder Standhaftigkeit. Wel-
lington, sein Heer mehrmals in Gefahr sehend, durchbrochen zu wer-
den, eilte persönlich in das stärkste Feuer, zeigte sich den Truppen
und strengte alle Kräfte an, sich gegen die Uebermacht zu behaupten,
bis Blücher mit den Preußen herankäme und dem Kampf eine ent- *
scheidende Wendung gäbe. Er wußte, daß Blücher kommen würde,
er wußte ihn im Anzug, die Vortruppen desselben schon in der
Nähe, doch wurde dessen wirkliches Eintreffen auch schon mit jedem
Augenblick nöthiger. Napoleon entwickelte unaufhörlich neue Streit-
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Jean Koth Napoleon Napoleon Napoleon
444
fräste, sein Geschütz wirkte verheerend, seine Truppen rückten ent-
brannt zu neuen Angriffen vor; die Kräfte Wellingtons erschöpften
sich. Es war hohe Zeit, daß Blücher auf dem Kampfplatz erscheine,
doch zeigte sich von ihm noch keine Spur, und die Lage der Dinge
wurde jeden Augenblick bedenklicher.
Blücher war, seinem Versprechen gemäß, am 18. Juni früh
Morgens von Wavre in zwei Heerzügen aufgebrochen; er hatte fceit
17. an den Folgen seines Sturzes im Bette zubringen müssen, und
am 18. in der Frühe, als er unmittelbar aus dem Bette wieder
aufs Pferd sollte, um mit seinen Truppen zur neuen Schlacht aus-
zurücken, war man für den übelzugerichteten Greis nicht ohne Sor-
gen; der Wundarzt wollte ihn noch zu guter Letzt einreiben; Blücher
aber, als er die Anstalten sah, versetzte: „Ach was, noch erst schmie-
ren! Laßts nur sein! Ob ich heute balsamirt oder unbalsamirt in
dle andere Welt gehe, das wird wohl auf eins herauskommen!" er-
hub sich, ließ sich ankleiden und setzte sich wohlgemnth zu Pferde,
obgleich ihn bei jeder Bewegung die gequetschten Glieder schmerzten.
Als er sah, wie stark es geregnet hatte, und daß es noch immer fort
regnen würde, sagte er: „Das sind unsere Verbündeten von der Katz-
bach*), da sparen wir dem König wieder viel Pulver." Blücher be-
gab sich an die Spitze des Heertheils voll Bülow, der voranzog und
zuerst an den Feind kommen mußte. Er that Alles, um den Marsch
zu beschleunigen; allein schon gleich anfangs wurde derselbe durch ein
zufälliges Hinderniß unerwartet aufgehalten: in Wavre entstand eine
Feuersbrunst, welche die Hauptstraße sperrte und die Truppen zu Um-
wegen nöthigte, wodurch ein beträchtlicher Zeitverlust entstand. Wei-
terhin wurde es noch schlimmer; der unaufhörliche Regen hatte den
Boden ganz durchweicht, die Bäche geschwellt, jede kleinste Vertiefung
mit Wasser gefüllt. Die schmalen Wege durch Wald und Gebüsch
nöthigten zu häufigem Abbrechen der Glieder. Das Fußvolk und die
Reiterei kamen mit Mühe fort; das Geschütz machte unsägliche Be-
schwer; der Zug rückte zwar immer vor, aber mit solcher Langsamkeit,
daß zu befürchten war, er werde zur Schlacht viel zu spät eintreffen
und weit über den Zeitpunkt hinaus, in welchem er für Wellington
noch die versprochene Hülfe sein könne. Offiziere kamen und brachten
Nachricht von dem Gang der Schlacht, von Napoleons übermächtigem
*) An Der Katzbach in Schlesien hatte Blücher die Franzosen am 26. August
1813 unter schreeklichem Regeuwelter ael'chlagcn.
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Extrahierte Personennamen: Blücher Napoleons August
446
Linie überall zum neuen Angriff übergeht. Doch Wellington stellt
der vordringenden Garde sechs englische Bataillone, in zwei Gliedern
aufmarschirt, entgegen, deren mörderisches Gewehrfeuer ganze Reihen
des dichtgeschaarten Feindes niederstreckt; zugleich richtet alles Geschütz
seine Wirkung gegen die Masse; von allen Seiten wenden sich die
Truppen zu diesem Kampfe, dem blutigsten des Tages. Ganze
Schaaren werden vernichtet; die große Menge der Verwundeten,
welche dem Gefecht entweichen, gibt auf beiden Seiten den Anschein
einer Flucht. Die französische Garde, trotz ihres ungeheuren Ver-
lustes, rückt immer vor, ihrem gewaltigen Ungestüm scheint Nichts
widerstehen zu können. Die Engländer weichen auf mehreren Punkten;
ihr Geschütz stellt das Feuer ein. In diesem Drange rückt der preu-
ßische General Ziethen hervor, läßt vier und zwanzig Stücke Geschütz
in den Feind schmettern und führt seinen Hauptangriff im Sturm-
schritt, unter dem Wirbel aller Trommeln, die Höhe von Bellealliance
zur Richtung nehmend, unaufhaltsam vorwärts. Die Bewegung ist
entscheidend, der Feind beginnt zu weichen. Schon aber hat gleich-
zeitig auch Wellington die Truppen seines weniger bedrängten rechten
Flügels nach der Mitte gezogen, seine Reiterei zusammengebracht, und
geht nun selbst wieder mit allen Kräften zum entschlossensten Angriff
über. Er befiehlt seiner ganzen Schlachtordnung ein allgemeines
Vorrücken. Die französische Garde, dem allseitigen Sturm erliegend,
geräth in Unordnung und flieht; vier Bataillone, die am meisten
vorgerückt sind, ziehen sich, in Vierecken geschlossen, nach Bellealliance
zurück. Sie kommen aber hier in das Geschützfeuer Bülows, sie
werden von der Reiterei umzingelt, die meisten fallen, einige entkom-
men, gefangen werden nur wenige. Jetzt kommt auch der zweite
preußische Heertheil, unter Pirch, zur Schlacht, und um halb acht
Uhr erneuert sich der Kampf. Noch leistet der Feind verzweifelte
Gegenwehr, alle drei preußische Heertheile sind im heißesten Gefecht,
aber die Schlacht ist schon gewonnen, der Feind überall im Rück-
zug, er kämpft nur noch für seine Rettung. Endlich um neun Uhr
erobern Pirch und Bülow vereint das Dorf Planchenoit, und
das Verderben 'des französischen Heeres ist entschieden. Der Rückzug
artet in wilde Flucht aus, die Nacht nimmt die Flüchtigen auf. Es
war schon völlig dunkel, als Blücher und Wellington auf der Höhe
von Bellealliance zusammentrafen und sich gegenseitig als Sieger be-
grüßten. Diese Höhe führte den Namen von der Verbindung zweier
schönen Brautleute, welche sich hier niedergelassen; Blücher, der sieg-
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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440
Leipzig gerückt. Hier wurde er nun von allen Seiten bestürmt. Klug
und tapfer wehrte er stch, dieser Ruhm muß ihm bleiben. Von einer
Anhöhe herab, bei einer zerschossenen Windmühle, leitete er die Schlacht;
ihm gegenüber hielten auf einem Hügel bei einer Ziegelscheune die Mo-
narchen Friedrich Wilhelm, König von Preußen, Kaiser Franz von
Oesterreich und Kaiser Alerander von Rußland. Unter ihren Augen
führten die braven Krieger das große Werk aus. Ein Dorf nach dem
andern wurde den Franzosen genommen; immer schlimmer erging es ihnen.
Und siehe, noch war es nicht Abend, da sprengte der Feldherr Schwarzen-
berg den Hügel heran zu den drei Herrschern und meldete: „Wir haben
gesiegt, der Feind zieht fort." Die frommen Fürsten aber steigen von
den Rossen, beugen ihre Kniee vor dem Allmächtigen, welcher die Welt
regiert, und mit seiner Gnade ist bei denen, die auf ihn trauen, heben
ihre Hände zum Himmel empor und beten im Staub den König der
Könige an. Alle, die bei ihnen sind, thun ein Gleiches. Der kleine
Hügel, wo dies geschah, heißt bis auf den heutigen Tag der Drei-
monarchenhügel.
Die Abtheilung von Württembergern, welche am 18. Oktober auf
dem Schlachtselde stand und unter General Normann mitkämpfte, war,
als der Sieg noch schwankte, zu den Verbündeten übergetreten, so wie
der größte Theil der sächsischen Truppen bereits gethan hatte.
Als die dunkle Nacht schon das große Vlutfeld bedeckte, befand stch
Napoleon noch auf dem Hügel bei seiner Windmühle, wo er stch ein
Wachfeuer hatte anzünden lassen. Er hatte seinem ersten Gehülfen, Ber-
thier, die Anordnung des Rückzugs mitgetheilt, und dieser diktirte sie
an einem Seitenrvachfeuer einigen Adjutanten. Ringsum herrschte tiefe
Stille. Man hatte dem von harter Anstrengung der letzten Tage, und
noch mehr von den heftigsten Bewegungen des Gemüths erschöpften Herrscher
einen hölzernen Schemel gebracht, auf welchem er in Schlummer sank.
Hoffnung, Furcht, Zorn, Unmuth, Zähneknirschen —• was mochte alles
in diesen Tagen das heftige Gemüth erschüttert haben! Jetzt saß er, wie
ein Augenzeuge ihn gesehen, nachläffig auf seinem Schemel zusammen-
gesunken, die Hände schlaff im Schooße ruhend, die Augen geschlossen,
unter dem dunkeln Zelt des Himmels, mitten aus dein Leichenfeld, das
er geschaffen hatte, und welches durch die brennenden Dörfer und un-
zähligen Wachfeuer wie mit verzehrenden Flammen besäet war. Die An-
führer standen düster und verstummt um das Feuer, und die zurück-
ziehenden Haufen rauschten in einiger Entfernung am Fuß des Hügels
vorüber. Nach einer Viertelstunde erwachte Napoleon und warf einen
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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TM Hauptwörter (200): [T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Franz_von
Oesterreich Franz Alerander_von_Rußland Normann Napoleon Napoleon
445
Andränge, und wie sehr die Ankunft der Preußen ersehnt werde.
Blücher, m heftigen Sorgen, sein gegebenes Wort nicht zu lösen,
rief sein: „Vorwärts, Kinder, vorwärts!" anfeuernd in die Reihen
der Truppen, überall fördernd flogen seine Blicke und Worte umher;
wo ein Hinderniß entstand, wo eine Stockung sich zeigte, war er so-
gleich gegenwärtig; doch alle Anstrengung gab noch immer geringe
Aussicht, zu rechter Zeit anzulangen. Neuerdings trieb er zu ver-
doppelter Eile an; die Truppen erlagen fast den Mühseligkeiten; aus
dem Gemurmel der im Schlamm und durch Pfützen sich Fortarbeiten-
den klang es hervor, es gehe nicht, es sei unmöglich. Da redete
Blücher mit tiefster Bewegung und Kraft feine Krieger an: „Kinder,
wir müssen vorwärts! Es heißt wohl, es geht nicht, aber es muß
gehen; ich hab es ja meinem Bruder Wellington versprochen. Ich
habe es versprochen! Hort ihr wohl? Ihr wollt doch nicht, daß ich
wortbrüchig werden soll?" Und so ging es denn mit allen Waffen
unaufhaltsam vorwärts.
Es war angenommen, die Preußen würden um zwei llhr Nach-
mittags zur Schlacht kommen. Aber erst nach vier Uhr war endlich
der schwierige Weg zurückgelegt, und nur zwei Geschwader und die
Reiterei von Bülow halten jenseits ihre verdeckte Aufstellung erreicht,
und erwarteten das Herankommen der übrigen. Blücher gab nun
durch frühzeitiges Geschützfeuer dem Heere Wellingtons das Zeichen
seiner ersehnten Ankunft. Dieser Kanonendonner erweckte den Eng-
ländern frohe Zuversicht, den Franzosen Staunen und Bestürzung.
Jetzt schickte Napoleon den sechsten Heertheil, den er bisher noch aus
dem Gefechte zurückgehalten, dem Angriffe der Preußen entgegen,
und es entstand ein heftiger Kampf, in welchem die beiden Geschwader
anfangs gegen die Uebermacht einen harten Stand hatten. Blücher
indeß sandte allen Truppenteilen, deren Herankommen er auf alle
Weise rastlos beeilte, den Befehl, ihre Richtung geradezu auf die
Höhe von Bellealliance zu nehmen, deren Gebäude über die ganze
Gegend sichtbar emporragten. Napoleon jedoch wankte noch immer
nicht; er sah die Truppen Blüchers immer furchtbarer auftreten, allein
sein hartnäckiger Eifer verzichtete noch nicht auf den Sieg. Ein letzter
verzweifelter Schlag soll ihn entscheiden: er läßt die alte Garde,
den Kern seiner Truppen, zwölf Bataillone, zur Durchbrechung der
Schlachtordnung Wellingtons auf deren Seite im Sturm vorrücken,
zusammengedrängt, das Gewehr im Arm, ohne Schuß, unter Anfüh-
rung des Marschalls Ney, während zugleich die ganze französische
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T21: [Napoleon Bluch Heer General Preußen Franzose Schlacht Armee Mann Wellington], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Extrahierte Personennamen: Bülow Napoleon Napoleon
328
hört man nicht mehr die einzelnen Schüsse, ein unauf-
hörliches Rollen erschüttert die Luft und macht die Feste
der mit Rauchwolken bedeckten Erde erbebend; im wei-
ten Umkreise klirren die Fenster und die ältesten Solda-
5. ten erinnern 'sich solchen furchtbaren Geschützdonners
nicht. Die Hurrahs der Angreifenden erschallen in die
Schmerzensrufe der Verwundeten und Sterbenden, das
Rasseln der Kanonen und Geschützwagen in den Marsch
der Vordringenden, die Trommelwirbel, die Horn- und
10. Trompetensignale der Streiter zu Fuß und Roß in das
unaufhörliche Knattern der Gewehre. Adjutanten fliegen
hin und her! Verwundete kommen blutend oder werden
von Anderen hinter die Angriffslinien gebracht! Tod
und Schrecken, Angst, Freude, Muth und Verwirrung
15. auf allen Seiten, in allen pulvergeschwärzten Gesichtern
der Streiter. Gewaltige Heeresmassen im An- und Ab-
züge, furchtbare Artillerie mit ihren zahllosen Feuer-
schlünden, Kugel- und Kartätschenladungen nach allen
Seiten sendend. Da gibt's Blut! Schon werden die
20. Franzosen zurückgedrängt, aber ungeheure Heeresmassen
eilen im Sturmschritte den bedrängten Punkten zu, und
die französische Reiterei, von Wachau hervorstürzend,
wirft endlich Alles vor sich nieder. Es ist Nachmittags
3 Uhr. Siegesboten, von Napoleon gesendet, fliegen
25. nach Leipzig, zu künden den Sieg, und in den Donner
der Geschütze tönt das Siegesläuten der Glocken von
Leipzig. Doch im Buche des Schicksals stand eine an-
dere Losung! Den kühnen Streitern fehlte der Nachdruck,
und Kosaken entrissen ihnen die mit unglaublicher Kühn-
30. heit gewonnene Beute an Geschütz! Vergeblich waren
alle wiederholten Anstrengungen der Franzosen, die
Schlacht war zum Stehen gekommen.
Unterdessen hatte der Kampf auch auf der West-
und Nordseite von Leipzig bei Lindenau und Möckern
35. getobt. Mehr als 50 Feuerschlünde sind bei dem letz-
tern Dorfe aufgepflanzt und senden unaufhörlich Tod
und Verderben in die Reihen der Preußen. Wiederholt
wird das lange Dorf vergeblich gestürmt. Endlich wirft
sich die preußische Reiterei auf die französischen Vierecke
40. und sprengt sie, alle Bataillone rücken ohne Befehl vor,
französische Pulverwagen fliegen in die Luft und brin-
gen Verwirrung in die Reihen, die von der andern
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